- Gottesbeweise
- Gottesbeweise,die auf verschiedenen Wegen intellektueller Reflexion unternommenen Versuche, das Dasein Gottes ohne Rückgriff auf die Offenbarung allein aus Gründen der Vernunft zu beweisen. Gottesbeweise sind keine Beweise im naturwissenschaftlichen Sinn. Sie nehmen die natürliche Erkennbarkeit (Vernunfterkenntnis) Gottes an und schließen aus der Bewegung, der zweckmäßigen (vernünftigen) Ordnung der Welt und dem Vorhandensein von Gottes- und allgemeinen Moralvorstellungen in allen Völkern (einem allgemeinen moralischen Gesetz) auf Gott. Ihre geistesgeschichtlichen Wurzeln haben die Gottesbeweise in der Suche nach (den) als göttlich qualifizierten letzten Gründen des Seins, die bereits bei den Vorsokratikern ein wesentlicher Moment der griechischen Philosophie bildete. Bei Platon ist jener Grund aller Gründe die »Idee des an sich Guten«, die »Erzeugerin« von allem Seienden, Wahren und Guten ist. - Den klassischen Gottesbeweis entwickelte Aristoteles (und ihm folgend die Scholastik) mit dem Bewegungsbeweis: Die Bewegung oder Veränderung des welthaft Seienden wird als Wirklichkeitssteigerung verstanden; sie setzt als Erklärungs- und Seinsgrund den reinen Akt (actus purus) voraus, der alle Wirklichkeit umfasst und von dem daher jede Steigerung an Wirklichkeit ausgeht. Dem »ersten unbewegten Beweger« schreibt Aristoteles neben Unveränderlichkeit und Notwendigkeit auch Leben und Vernunft zu. Dieser Gottesbeweis gehört zu den fünf Wegen zu Gott bei Thomas von Aquino. Gottesbeweise wollen weiterhin zeigen, dass allem Verursachten eine in sich ruhende Erstursache, allem Kontingenten ein absolut Notwendiges, allem in endlichen Stufen Vollkommenen (der kontingenten Wirklichkeit) ein unendlich Vollkommenes (kosmologischer Gottesbeweis), aller Sinnhaftigkeit und Zielstrebigkeit ein sie entwerfender denkender Geist zugrunde liege (teleologischer Gottesbeweis). Der noologische Gottesbeweis nimmt an, dass die Vernunft in ihrer Intention immer das Unendliche als das Wahre und Gute voraussetze, im Denken damit ein Weg zu Gott gegeben sei (Augustinus, R. Descartes, G. W. Leibniz). Anselm von Canterbury entwickelte den ontologischen Gottesbeweis (in abgewandelter Form u. a. aufgenommen von Descartes, Leibniz und G. W. F. Hegel), der aus dem Begriff des höchsten Wesens dessen Dasein folgert. I. Kant lehnte alle mit den Mitteln der spekulativen oder theoretischen Vernunft geführten Gottesbeweise ab; das höchst vollkommene Wesen und sein notwendiges Dasein sei zwar als Ideal der Vernunft anzuerkennen, aber menschliches Erkennen und Begreifen könne niemals bis zur Einsicht in das schlechthin Unbedingte, weder seinem Wesen noch seinem Dasein nach, gelangen. Deswegen sei der ontologische und mit ihm der kosmologische (vom Gegebensein der Welt ausgehende) wie auch der teleologische (von der Naturordnung her schließende) Gottesbeweis zu verwerfen. Nicht in ihrem spekulativen, sondern vielmehr in ihrem praktischen Gebrauch als das menschliche Handeln bestimmendes Prinzip eröffne die Vernunft ein das sittliche Bewusstsein fundierendes Wissen des Daseins Gottes (moralischer Gottesbeweis).Die Gottesbeweise gehören nach katholischer Lehre zur natürlichen oder Vernunfterkenntnis Gottes, die außer seinem Dasein auch seine Personalität und andere Eigenschaften erfasst und ebenso zu ihm als Schöpfer der Welt und Begründer des natürlichen Sittengesetzes vordringt und damit den übernatürlichen oder Offenbarungsglauben an Gott vorbereitet. - In der evangelischen Theologie, soweit sie sich Kants Kritik angeschlossen hat, spielen die Gottesbeweise nur noch eine historische Rolle.F. Brentano: Vom Dasein Gottes, (1929, Nachdr. 21980);J. Kopper: Reflexion u. Raisonnement im ontolog. G. (1962);Denkender Glaube, hg. v. J. Hirschberger u. a. (1966);D. Henrich: Der ontolog. G. (21967);Q. Huonder: Die G. (1968);J. Fellermeier: Die Philosophie auf dem Weg zu Gott (1975).
Universal-Lexikon. 2012.